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Filme aus 50 Ländern zu Gast beim Schlingel-Festival in Chemnitz

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Schlingel 2014: Moderatorin Singa Gätgens interviewt Schlingel Sven. © Schlingel-Festival

Schlingel 2014: Moderatorin Singa Gätgens interviewt Schlingel Sven. © Schlingel-Festival

Vom 13. bis 19.10. fand in Chemnitz das 19. Internationale Filmfestival für Kinder und junges Publikum «Schlingel» statt. Eine Woche lang wurden dort 136 Filme aus aller Welt, davon 27 Premieren, für die jüngsten Zuschauer von vier bis zehn Jahren, für ältere Kinder bis 13 Jahre und für das jugendliche Publikum präsentiert. Neben den vier internationalen Wettbewerben im Bereich Kinder-, Junior- und Jugendfilm sowie Kurz- und Animationsfilm gibt es dort auch den Wettbewerb «Blickpunkt Deutschland», für den die Defa-Stiftung alljährlich einen Förderpreis sowie das Goethe-Institut ihren Jugend- und Kinderfilmpreis ausloben. Insgesamt wurden in diesem Jahr 13 Preise im Wert von rund 35.000 Euro vergeben. Dabei beteiligt sich am Hauptpreis für den internationalen Kinderfilmwettbewerb, den die Fachjury vergibt, nun neben der Stadt Chemnitz auch der Mitteldeutsche Rundfunk. Der Preis wurde von 5.000 auf 11.000 Euro aufgestockt, dabei gehen 1.000 Euro an den Regisseur des Siegerfilms, 10.000 Euro werden an einen deutschen Verleih, der sich dieser Produktion annimmt und sie in die deutschen Kinos bringt, als Distributionsunterstützung ausgereicht. Das ist eine tolle Idee, sind doch so oft künstlerisch hervorragende internationale Kinderfilme lediglich auf den Festivals zu sehen, um dann bei uns meist noch nicht einmal auf DVD zu erscheinen. geschweige denn auf der Leinwand.

In diesem Jahr hatte es die Fachjury allerdings gar nicht so leicht bei ihrer Entscheidung, denn bei diesem ansonsten sehr anspruchsvollen Festivalprogramm war der Kinderfilmwettbewerb leider der schwächste. So wählten die sechs Juroren letztendlich die norwegische Produktion KARSTEN OG PETRA PÅ VINTERFERIE (KARSTEN UND PETRA IN DEN WINTERFERIEN)  von Regisseur Arne Lindtner Næss (Bild: Dániel Garas, Montage: Leif Axel Kjeldsen) aus.

Die Geschichten um Karsten und Petra sind in Norwegen eine beliebte Marke: Basierend auf den Kinderbüchern von Tor Åge Bringsværd und Anne G. Holt entstanden bereits eine TV-Serie und mehrere Spielfilme. Hinsichtlich der Verleihchancen war es eine gute Entscheidung der Jury, werden doch in deutschen Kinos äußerst wenige Realfilme für Vier- oder Fünfjährige angeboten. Künstlerisch ist KARSTEN OG PETRA PÅ VINTERFERIE solide produziert, ruhig erzählt, die Lebenswelt der Kinder in den Mittelpunkt stellend, aber eher einer konventionellen Bildsprache verhaftet.

Dagegen wartet die französisch-chinesische Co-Produktion YE YING (LE PROMENEUR D’OISEAU – DIE NACHTIGALL) mit weitaus spektakuläreren und poetischen Bildern auf. Diesem Film von Regisseur Philippe Muyl (Bild: Sun Ming, Montage: Manuel De Sousa, Kako Kelber)  sprach die Fachjury ihre lobende Erwähnung aus.

Für Kinder ab acht Jahren erzählt der Film von dem Mädchen Renxing, das in gutsituierten Verhältnissen in Peking aufwächst und ihre Zeit mit Schule, Ballett-Training, iPad, Spielekonsole und Handy verbringt. Sie lernt ein völlig anderes Leben kennen, als sie mit ihrem Großvater eine abenteuerliche Reise in dessen Heimatdorf in den Bergen verbringt und so zum ersten Mal mit der Schönheit, aber auch den Gefahren der Natur vertraut gemacht wird. Zugegeben, das Thema ist nicht neu, wird aber hier auf eine berührende Weise, ohne ins Kitschige oder Verklärende abzudriften, behandelt.

Eine Reise aufs Land zu ihrer Großmutter unternimmt auch die kleine Gulnoz in dem usbekischen Wettbewerbsbeitrag UNUTMA MENI (VERGISS MICH NICHT) der in Buchara geborene Regisseurin Kamara Kamalova, aber in einem verniedlichenden Erzählton, anstatt der Überzeugungskraft ihrer selbstbewussten kleinen Darstellerin Zepo Sharipova zu vertrauen.

Die junge usbekische Hauptdarstellerin Zepo Sharipova (rechts) zu Gast beim «Schlingel». © Schlingel-Festival

Die junge usbekische Hauptdarstellerin Zepo Sharipova (rechts) zu Gast beim «Schlingel». © Schlingel-Festival

Der Juniorfilmwettbewerb zeichnete sich durch ein vielfältiges und künstlerisch hochwertiges Programm aus. Ob nun Hawaa Hawaai ACHTV RÄDER FÜR EINEN TRAUM) aus Indien, der iranische Beitrag GHESEH MAN VA DOCHARKHE BABAM (DAS FAHRRAD MEINES VATERS) von Fayaz Mousavi (Bild: Hadi Shalalvand, das Debüt des finnischen Regisseurs Sami Laitinen MUUTOKSII (WECHSELSPIELE, Bild: Arttu Peltomaa, Montage: Jukka Metsäaho, Aleksi Raij) oder der kubanische Spielfilm CONDUCTA (BENIMM DICH!) von Ernesto Daranas Serrano (Bild: Alejandro Pérez, Montage: Pedro Suárez)  – sie alle spielen in der Gegenwart und zeichnen ein äußerst interessantes und kritisches Bild von der Lebenssituation der Kinder in den jeweiligen Ländern. So geht es in BENIMM DICH! um einen elfjährigen Jungen, der aufgrund seiner häuslichen Probleme und des sozialen Umfeldes Schwierigkeiten in der Schule macht und deshalb in eine Bildungseinrichtung für schwer erziehbare Kinder geschickt wird. Allein seine kurz vor der Pension stehende Lehrerin Carmela kämpft um den Jungen und bringt dabei ihre Kollegen sowie die Schulbehörde gegen sich auf. Kameramann Alejandro Pérez hat dabei nicht nur die Kinder wunderbar in Szene gesetzt, sondern vermittelt auch mit seinen Aufnahmen ein eindrückliches Bild vom heutigen Kuba. Nur zu Recht wurde dieser berührende Film von den Kindern der Juniorjury mit dem Juniorfilmpreis ausgezeichnet und erhielt von der Fachjury eine lobende Erwähnung.

 

Auch die meisten Beiträge im Jugendfilmwettbewerb behandelten beim diesjährigen «Schlingel» die Probleme und Lebenswirklichkeit heutiger Jugendlicher. So erzählt die belgische Produktion BABY BALOON (Regie: Stefan Liberski; Bild: Claire Mathon, AFC; Montage: Damien Keyeux) von einer selbstbewussten, spritzigen, aber übergewichtigen Sängerin, die verzweifelt und ebenso erfolglos um die Liebe zu einem Bandmitglied kämpft. Am Ende bekommt Bici, eindrucksvoll gespielt von der jungen Komponistin und Schauspielerin Ambre Crouwels, zwar nicht ihre vermeintlich große Liebe, ist aber um einiges gereift und nimmt die Dinge selbstbestimmt in die Hand.

Auch die französische Produktion BANDE DE FILLES (MÄDCHENBANDE) von Céline Sciamma, die 2011 mit ihrem preisgekrönten Film TOMBOY debütierte, erzählt von der Selbstfindung eines Mädchens aus einer der Pariser Satellitenstädte. Dabei kommt sie ihrer Protagonistin Marieme auf beeindruckende Weise nahe (Bild: Crystel Fournier, AFC; Montage: Julien Lacheray).

Die kolumbianische Regisseurin und Drehbuchautorin Maria Gamboa dagegen stellt in ihrem Spielfilmdebüt MATEO einen 16jährigen in den Mittelpunkt, der in die kriminellen Machenschaften seines Onkels hineingezogen wird. Dabei konzentriert sie sich nicht nur auf den Entwicklungsprozess des Jungen, sondern thematisiert auch das Problem der mafiaartigen Bandenstrukturen in ihrem Land  (Bild: Diego Jiménez, Montage: Gustavo Vasco).

Am meisten beeindruckte mich allerdings die Co-Produktion YA NE VERNUS (ICH KOMME NICHT ZURÜCK) aus Estland, Russland, Weißrussland, Finnland und Kasachstan. Regie führte hier der estnische Regisseur Ilmar Raag, bekannt durch seine Filme DIE KLASSE – CHRONIK EINER KATASTROPHE und EINE DAME IN PARIS. Er erzählt auf eine tief berührende Weise von der komplizierten Annäherung der jungen Frau Anja und der 13jährigen Kristina. Beide sind in einem Waisenhaus aufgewachsen. Und während Anja, inzwischen Assistentin an der Universität, vor der Polizei fliehen muss, ist Kristina aus dem Heim weggelaufen, um ihre Großmutter im 6.000 Kilometer entfernten Kasachstan zu suchen. Notgedrungen machen sich die beiden zusammen auf den Weg, gehen dabei durch dick und dünn und lernen allmählich ein für sie völlig neues Gefühl kennen: Geschwisterliebe. Abgesehen von den intensiven Aufnahmen von Tuomo Hutri gibt es hier auch ein überraschendes Ende: tragisch und tröstend zugleich! (Montage: Tambet Tasuja)

Polina Puschkaruk (Anja, li.) und Viktoria Lobatschewa (Kristina) in ICH KOMME NICHT ZURÜCK. © Schlingel-Festival

Polina Puschkaruk (Anja, li.) und Viktoria Lobatschewa (Kristina) in YA NE VERNUS (ICH KOMME NICHT ZURÜCK). © Schlingel-Festival

Der Jugendfilmpreis der fünf jugendlichen Juroren ging an den ebenso berührenden Debütfilm HAN GONG-JU des südkoreanischen Regisseurs Lee Su-jin (Bild: Hong Jae-sik, Montage: Choi Hyun-sook). In ihrer Begründung heißt es: «Han Gong-jus Gesang klingt wie der eines Mädchens, das großen Kummer erfahren hat. Die Gruppenvergewaltigung Minderjähriger, ein eigentliches Tabuthema, wird in einer fesselnden Komplexität aus Sicht des Opfers Gong-ju reflektiert. (…) Die vielen unterschiedlichen Zusammenhänge, die sich am Ende zu einem gigantischen Gesamtbild erschließen, gipfelten für uns in dem Verlangen, den Film erneut zu sehen. Es ist ein Film, der nachhaltig zum Nachdenken anregt und durch seine Aktualität überzeugt.»

Chun Woo-hee, Hauptdarstellerin in HAN GONG-JU. @ Festival Schlingel

Chun Woo-hee, Hauptdarstellerin in HAN GONG-JU aus Südkorea, @ Festival Schlingel

Jedes Jahr vergibt das Chemnitzer Festival einen Ehrenpreis an einen Filmemacher, der sich besonders für den Kinder- und Jugendfilm verdient gemacht hat. Mit dem «Ehrenschlingel 2014» wurde der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Arend Agthe für sein Schaffen ausgezeichnet. ZDF-Redakteurin Dagmar Ungureit hielt bei der Festveranstaltung die Laudatio auf den «Magier des Kinos und des Fernsehens» und wies dabei ausdrücklich auf Agthes Anfänge als Regisseur zahlreicher humoristisch-satirischer Kurzfilme im Rahmen des legendären «Gruppe Arnold Hau» hin: «Arends filmischer Werdegang zeigt, dass die Sozialisation im satirischen und anarchischen Milieu die beste Voraussetzung für ausgezeichnete Kinderfilme und hervorragende Kinderformate ist, er führt die sich hartnäckig haltende These vom Kinderfilm und Kinderfernsehprogramm als Einstieg, Wegbereiter und Sprungbrett für den großen Kinofilm und das erwachsene Fernsehspiel ad absurdum. Große, starke Kinderfilme und Kinderfernsehprogramme, wie Arend sie gemacht hat und aktuell macht, benötigen ein gutes, stabiles Fundament und wenn dieses die Satire, die Anarchie ist, können so herausragende Werke für Kinder entstehen wie FLUSSFAHRT MIT HUHN, KÜKEN FÜR KAIRO, SOMMER DES FALKEN, (…), KARAKUM (…) und über 60 Folgen der Fernsehreihe SIEBENSTEIN, gipfelnd im gerade in Fertigstellung begriffenen neuen Kinofilm RETTET RAFFI! dem bereits ein schöner Roman vorausgegangen ist.»

 Dagmar Ungureit, Festivalleiter Michael Harbauer und Arend Agthe (v.l.n.r.)  bei der Verleihung des Ehrenschlingels. @ Festival Schlingel

Dagmar Ungureit, Festivalleiter Michael Harbauer und Arend Agthe (v.l.n.r.) bei der Verleihung des Ehrenschlingels. @ Festival Schlingel

Weitere Infos zum Festival hier


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